Erfahrungsbericht zum Studium am College of Europe
Wenn sich für ein Jahr die Welt in Brügge und Warschau trifft und ein Thüringer mittendrinn ist – Einblick in das intensive Studienjahr am College of Europe
Der Freistaat Thüringen bietet Studierenden die Möglichkeit, für ein Jahr Europa aus akademischer Perspektive hautnah mitzuerleben. Jährlich kommen am College of Europe, mit seinen zwei Standorten in Brügge und Warschau, hunderte junge Menschen aus unterschiedlichen Kontinenten, Ländern sowie Kultur- und Gesellschaftsformen zusammen, die zehn anspruchsvolle und lehrreiche Monate miteinander verbringen. Neben der professionellen Zusammenarbeit im Unialltag, bietet das College, durch die Diversität der Studierenden, eine einzigartige Perspektive an, da kritische sowie herausfordernde Sichtweisen auf manche historische Ereignisse und kontemporäre politische Entwicklungen vermittelt werden.
Der Weg von Thüringen in die unter den Studierenden oft genannte „College Blase“ beginnt mit der Auswahl des Studiengangs. Am Standort in Brügge stehen gleich vier verschiedene Studiengänge zur Auswahl, von denen man sich für einen entscheiden muss: European Economic Studies, EU International Relations and Diplomacy Studies, European Legal Studies oder European Political and Governance Studies. Am Standort in Natolin, ein ruhiger und schöner Stadtteil südlich von Warschau, gibt es „nur“ einen Studiengang, der aber internationaler und globaler nicht sein kann: European Interdisciplinary Studies. Von den Gründern der Geschichte Thukydides und Herodot bis zu den aktuellen Beziehungen der sechs Westbalkanstaaten zur EU werden eine Vielzahl von Themen intensiv behandelt und debattiert.
Wird man dann zum Auswahlgespräch eingeladen, geht es von Erfurt, dank der neuen ICE-Trasse, in unter zwei Stunden nach Berlin, wo jedes Jahr die Auswahlgespräche stattfinden. Häufig stellen sich dann Bewerber die große Frage, wie man sich auf das 15-minütige Gespräch vorbereiten kann. Als Tipp und Ermutigung kann ich persönlich jeden sagen: Seid gut über EU-Themen informiert, habt eine klare und gut argumentierte Meinung zu aktuellen gesellschaftlichen Themen, beherrscht Fremdsprachen und das Wichtigste:
Seid einfach ihr selbst! Mit dieser Kombination könnt ihr die Auswahlkommission sowie das Land Thüringen als Stipendiengeber von euch begeistern. Die Ergebnisse des Interviews gibt es in weniger als vier Wochen und bei einer positiven Rückmeldung erhalten erfolgreiche Bewerber das Thüringen-Stipendium in Höhe von 17.500 Euro, das die Studiengebühren am College abdeckt.
Aus meiner eigenen Erfahrung am College in Warschau habe ich festgestellt, wie schnell das Jahr vergangen ist. Vorlesungen an Wochenenden gehören genauso dazu, wie die strikte Einhaltung von Abgabefristen und eine Vielzahl von außerakademischen Aktivitäten. Gemeinsame Studienfahrten in die Ukraine und in meinem Fall nach Georgien und Armenien, haben dazu beigetragen, dass ich die geopolitischen Sorgen und unterschiedlichen EU-Bestrebungen dieser Staaten durch Gespräche mit Diplomaten, politischen Entscheidungsträgern und Vertretern der Zivilgesellschaft vor Ort besser nachvollziehen konnte. Ein gutes Zeitmanagement und eine diszipliniert-strukturierte Arbeitsweise lassen die Erfahrung am Ende auch durch gute Ergebnisse abrunden.
Mit der erfolgreichen Beendigung des Studienjahres am College bieten sich den Absolventen zahlreiche Karrieremöglichkeiten. Durch den Abschluss steigen die Chancen, dass man das hoch begehrte Blue-Book-Praktikum in den europäischen Institutionen oder Generaldirektionen angeboten bekommt. Als potenzielle Arbeitgeber kommen auch das Europäische Parlament, der Deutsche Bundestag, verschiedene Beraterfirmen oder Nichtregierungsorganisationen infrage. Andere Kommilitonen sind aber auch zurück in ihre Heimatländer gegangen und versuchen das am College vermittelte Wissen dort in die Praxis umzusetzen.
Verfasser: Lorin Stan, Manuel Marín Promotion 2018/2019