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Erfahrungsberichte

Seitenwechsel – ein Erfahrungsbericht über den Quereinstieg in die Thüringer Justiz


Es begann mit dem Tipp eines guten Freundes – die Thüringer Justiz stellt vermehrt Richter und Staatsanwälte ein, um den in den nächsten Jahren anstehenden Generationenwechsel zu begegnen - und mit einer Initiativbewerbung.

Nach fünf Wochen kam dann der Anruf: „Haben Sie morgen um 11 Uhr Zeit“? Hatte ich, zum Glück, natürlich und fand mich pünktlich im TMMJV ein. „Es geht bei dem Bewerberinterview nicht um Ihre fachliche Qualifikation“, hatte man mir gesagt, „diese haben Sie mit ihren Examen bereits unter Beweis gestellt. Worum es geht, ist die Frage, ob man menschlich dem Richter- oder Staatsanwaltsberuf gewachsen ist – verantwortungsvolle Machtausübung sei das Schlagwort“.

Was folgte, war eine Stunde Bewerbungsgespräch, drei hochrangige Vertreter der Thüringer Justiz, die mich zu meinem Lebenslauf, zu meinen persönlichen Qualifikationen, zu meinen Wertvorstellungen befragten, mir immer neue Zwickmühlenfragen stellten und die es galt, mit Augenmaß und Lebenserfahrung zu beantworten. Ich fand es spannend, durchaus anstrengend, aber auch sehr unterhaltsam. Die Stunde verging wie im Fluge und die erlösende Aussage – „Wir wollen Sie“ – folgte unmittelbar.

Verrückt, welche Wendung das Leben manchmal nimmt. Im Jahr meines zweiten Staatsexamens vor 8 Jahren wurde nur ein ganz geringer Prozentsatz der Absolventen in den Staatsdienst übernommen. Ich hatte mich damals für die Anwaltschaft entschieden und meinen Weg gefunden. Eine mittelständische Kanzlei, freie Arbeitszeiten, die Dienstleistung für den Mandanten. Angekommen und mit Perspektive. 5 Jahre Anwaltschaft haben mir großen Spaß gemacht und wichtige Erfahrungen geliefert. Private und berufliche Wandlungen waren es letztlich, die mich dazu bewogen, den Schritt in die Thüringer Justiz zu wagen. Und ich habe es bis heute keinen Tag bereut. Ich habe zwar mit einem weinenden Auge meine bisherige Position aufgegeben, bin aber im Richteramt inzwischen sehr gut angekommen.

Ich hatte das große Glück als Beisitzerin in der Berufungskammer eines Landgerichtes anfangen zu dürfen. Sechs Monaten Kammerprinzip an der Seite von zwei sehr erfahrenen, souveränen und hilfsbereiten Kollegen. Hier durfte ich den Einstieg in den Richterberuf lernen. Voten schreiben, Urteilsstil, keine Anwaltsschriftsätze mehr, die Perspektive der zweiten auf die erste Instanz. Vermutlich gibt es keinen besseren Einstieg in das Richteramt.

Nach sechs Monaten wurde ich dann auf eigene Füße gestellt. „Nun müssen Sie selber ran“, hieß es. Ein Amtsgericht mit vielen Akten, viel zu tun. Es war schade – einerseits – ich hatte mich gerade gut eingelebt, fing an, von meinen Erfahrungen der letzten Monate zu profitieren, gewann Routine, fühlte mich im Kollegenkreis sehr wohl und aufgenommen - und dann wieder der Wechsel. Andererseits - ich freute mich auf die neue Aufgabe! Wieder neue Kollegen, ein neues Arbeitsfeld und nun, das Erlernte endlich alleine anwenden zu dürfen! Ich habe mich im Gerichtssaal schon immer sehr wohl gefühlt, das erste Mal alleine eine Verhandlung zu führen, war dann aber trotzdem sehr aufregend.

Inzwischen bin ich neun Monate im Justizdienst, habe schon einiges gesehen und sehr viel gelernt in der Zeit. Ich denke, es sollte und wird hoffentlich nie aufhören. Der Richterberuf ist – ähnlich wie der Anwaltsberuf – so vielseitig, so bunt, immer wieder so überraschend. Hinter jedem Fall steckt eine Geschichte, die das Leben schreibt und jede ist anders. Und spätestens wenn man das Gefühl hat, die Geschichten wiederholen sich, die Routine nimmt überhand, sollte man vermutlich versuchen, ein neues Rechtsgebiet, eine neue Herausforderung zu finden.

Was aber ist anders als im Anwaltsberuf? Der Fokus auf den juristischen Kern, auf die Lösung des einzelnen Falles. Der kaufmännische Blick auf jeden Fall fällt weg, das „Sich-verkaufen-Müssen“, die „Show“ für die Mandantschaft. Ich persönlich empfinde es als große Bereicherung beide Seiten des Tisches zu kennen. Das Gefühl der Ohnmacht, mit guten Argumenten nicht gehört zu werden, von der Version des Mandanten überzeugt zu sein und es nicht beweisen zu können – und andererseits die Verantwortung zu tragen, entscheiden zu müssen, aufgrund der besseren Argumente, aufgrund der Sachlage, aufgrund des Gesetzes.

Sehr angetan bin ich von den Kollegen, die mich alle bisher freundlich und hilfsbereit aufgenommen haben, mit Rat und Tat zur Seite stehen und gute Vorbilder abgeben. Bisher bin ich ausschließlich Kollegen begegnet, die ihren Beruf auch nach vielen Berufsjahren mit Enthusiasmus, Ernsthaftigkeit und Menschlichkeit ausüben.

Ich kann den Eintritt ins Richteramt vorbehaltlos empfehlen. Gerade auch für Quereinsteiger aus anderen juristischen Berufen. Das Richteramt bietet große Freiheit und Abwechslungsmöglichkeiten, in der Gestaltung des beruflichen Alltags wie in der fachlichen Arbeit.

Erfahrungen als Proberichter an einem Thüringer Amtsgericht

 

Während des Referendariats hat sich bei mir zunehmend der Wunsch herauskristallisiert, Proberichter werden zu wollen. Bereits einen Tag nach erfolgreicher Absolvierung der mündlichen Prüfung Anfang Mai 2017 habe ich daher im Justizministerium des Freistaates Thüringen angerufen und mich nach den aktuellen Einstellungsmodalitäten erkundigt. Von der dortigen Personalreferentin erhielt ich die Auskunft, doch zeitnah eine Bewerbung zu übersenden.

Zu diesem Zeitpunkt bin ich noch davon ausgegangen, dass sich das Bewerbungsverfahren sicher einige Zeit hinziehen werde und überlegte bereits, wie ich die Wartezeit sinnvoll überbrücken könne. Aber weit gefehlt - nicht einmal eine Woche nach Absendung meiner Bewerbung erhielt ich bereits eine Einladung zu einem Bewerbergespräch für Ende Mai 2017.

Am 26. Mai 2017 fand nun das Bewerbergespräch, auch „strukturiertes Bewerberinterview“ genannt, statt, bei welchem der Präsident des Thüringer Oberlandesgerichts, der Vizepräsident des Thüringer Oberverwaltungsgerichts sowie der Zentralabteilungsleiter des Justizministeriums versuchten, mich mit verschiedenen  - weniger juristischen – Problemfällen aus dem Arbeitsalltag „aus der Reserve zu locken.“

Unmittelbar nach dem Gespräch wurde mir eine Einstellungszusage erteilt. Zu meiner großen Überraschung ging es dann gleich weiter ins Personalbüro, wo mir mitgeteilt wurde, dass ich wahrscheinlich schon am 03. Juli 2017 als Proberichter im beschaulichen Heilbad Heiligenstadt meine Tätigkeit in der Thüringer Justiz beginnen könnte. So trat ich meinen Dienst schließlich Anfang Juli 2017 beim Amtsgericht Heilbad Heiligenstadt an.

Nach einem ersten „vorsichtigem“ Studium der mir zugewiesenen Zivilakten waren mir die Fragzeichen quasi ins Gesicht geschrieben: „Was bezwecken die Parteien eigentlich?“ und „Wie mache ich jetzt die passende Verfügung?“

Schnell hat sich jedoch gezeigt, dass das Wasser, in welches ich zu Beginn meiner Tätigkeit dachte geworfen worden zu sein, sich tatsächlich gar nicht als so kalt erwies. Mittlerweile bin ich 9 Monate als Proberichter tätig und das Wasser wird immer wärmer. Viele Abläufe haben sich letztlich auch auf dem Wege „learning by doing“ eingespielt. Die Kollegen vor Ort sowie die Geschäftsstellenmitarbeiter haben mich - gerade zu Beginn - umfassend unterstützt und standen bei Bedarf bei Rückfragen stets zur Verfügung.

Als sehr hilfreich bei der Einarbeitung hat sich auch der monatlich stattfindende Erfahrungsaustausch für Proberichter beim Thüringer Oberlandesgericht erwiesen, bei dem fachkundige Referenten wechselnde Thematiken erörtern und zudem der Erfahrungsaustausch mit anderen jungen Proberichtern besteht. Auch die Teilnahme an einer Fortbildungswoche zum Mietrecht in der Richterakademie Wustrau hat meinen Wissens- und Erfahrungshorizont gewinnbringend erweitert und bereichert nunmehr meine tägliche Arbeit.

Ausschnitt von einer Richterin mit Robe vor einem PC und auf dem Tisch davor stehen Gesetzesbücher

Erfahrungen als Proberichterin bei einer Thüringer Staatsanwaltschaft 

Etwa fünf Monate nach Abschluss meiner 2. juristischen Staatsprüfung begann ich meinen Dienst als Richterin auf Probe bei der Staatsanwaltschaft Mühlhausen.

In den ersten sechs Monaten wurde ich in einem Dezernat für allgemeines Erwachsenenstrafrecht eingesetzt, bevor ich anschließend ein Dezernat in der Schwerpunktabteilung für Wirtschaftsstrafrecht bekam.

Anfangs ist man noch auf sehr viel Hilfe angewiesen und muss viele neue Eindrücke verarbeiten. Insbesondere die tägliche Dezernatsarbeit und damit verbunden das Schreiben von Verfügungen ist aufgrund der nahezu fehlenden Behandlung während der Referendarzeit neu.

Dank der Gegenzeichnung, bei welcher ein erfahrener Staatsanwalt mehrere Monate sämtliche zu treffenden Entscheidungen begleitet, fand ich mich jedoch schnell in die tägliche Arbeit hinein und konnte fortlaufend selbstständiger arbeiten.

Neben der Gegenzeichnung waren auch die übrigen Kollegen jederzeit bereit, jegliche Fragen zu beantworten und Hilfestellung zu leisten.

Auch der Sitzungsdienst wurde mehr und mehr zur Routine. Hier bekommt man die Gelegenheit, die in der Ausbildung erworbenen Fähigkeiten unmittelbar anzuwenden.

Insgesamt fühlte ich mich von Beginn an bei der Staatsanwaltschaft Mühlhausen sehr gut aufgenommen, was nicht zuletzt an dem zuvorkommenden und freundlichen Kollegium lag.

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